- napoleonische Ordnung: Europa im Schatten der »Grande Armée«
- napoleonische Ordnung: Europa im Schatten der »Grande Armée«Den Grundstein für das moderne Europa legte Napoléon Bonaparte. Mit seinem Namen sind Ausbau und Neugestaltung des nachrevolutionären Frankreich ebenso verbunden wie die umfassendste Veränderung der politischen Landkarte Europas seit Bestehen des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Von den Zeitgenossen fast unbemerkt legte Franz II. am 6. August 1806 in Wien die Kaiserkrone nieder, nachdem kurz zuvor 16 Vertreter west- und süddeutscher Staaten aus dem Reich ausgetreten waren. Die Gründung des Rheinbundes unter dem Protektorat Napoleons I., auf den die ehrgeizigen Fürsten des »Dritten Deutschland« als Gegengewicht zu Preußen und Österreich jetzt ihre ganzen Hoffnungen setzten, bedeutete gleichzeitig das Ende des fast tausendjährigen Reiches. Aufgrund eines Ultimatums des französischen Machthabers hatte Franz II. bereits 1804 den Titel eines Kaisers von Österreich angenommen, das mit Ungarn vereint als Doppelmonarchie 1918 unterging. Der Zusammenstoß zwischen dem napoleonischen Frankreich und den Mächten Alteuropas führte zu einer völligen Umgestaltung der politischen und territorialen Lage, die 1814/15 auf dem Wiener Kongress trotz aller Bemühungen um eine Restauration des Ancien Régime nicht mehr rückgängig gemacht werden konnte.Der Staatsstreich des 18. BrumaireDie bahnbrechende Laufbahn Napoleons als Zerstörer der alteuropäischen Welt und Gestalter des modernen Europa begann 1796 in Italien. Er vertrieb dort die Österreicher aus ihrem politischen Einflussgebiet und ordnete ganz Italien neu, indem er auf Kosten alter souveräner Mächte Schwesterrepubliken auf der italienischen Halbinsel einrichtete. Sie waren allesamt wichtige Außenposten der französischen Revolutionspropaganda. Selbst das Scheitern seines Ägyptenfeldzugs (1798/99), mit dem sein Weltreichtraum, auf den Spuren Alexanders des Großen Indien zu erreichen, vor der syrischen Festung Akko ein abruptes Ende fand, tat seiner Karriere keinen Abbruch. Im Gegenteil: Da sich die militärische Lage in Europa während seiner Abwesenheit grundlegend verändert hatte, wurde sein militärisches und politisches Genie in Paris dringend benötigt. Die zweite Koalition der europäischen Mächte, Österreich, Russland und Großbritannien, hatte 1799 die französischen Eroberungen in Süddeutschland, vor allem jedoch in der norditalienischen Poebene, zunichte gemacht. Bonaparte kam gerade rechtzeitig, um sich in der prekären Lage, in die Frankreich auch innenpolitisch geraten war, als Retter anzubieten. Am 9. November 1799 (18. Brumaire VIII) putschte er, unterstützt von einer hochrangigen Gruppe besitzbürgerlicher Notabeln (Brumairianer) um den Abbé Sieyès, gegen das Direktorium und schwang sich zum neuen Herrn Frankreichs auf. Das Szenario dieses Coup d'État gilt seitdem als Meisterstück eines »legalisierten« Staatsstreichs.Unter dem Vorwand einer Jakobinerverschwörung waren die Beratungen des Rates der Alten und des Rates der Fünfhundert am 9. November nach Saint-Cloud im Pariser Westen verlegt worden. Am darauf folgenden Tag versuchte der inzwischen zum Oberkommandierenden der Truppen ernannte Bonaparte die Deputierten im Rat der Fünfhundert von seinen Plänen, die die soziale Ordnung betrafen, zu überzeugen. Da er von den Abgeordneten massiv am Reden gehindert wurde, rettete ihn sein Bruder Lucien, indem er als Präsident der Versammlung die Sitzung schloss. Napoleon ließ daraufhin den Saal mit Truppengewalt räumen. Den oppositionellen Deputierten blieb nur die Flucht durch die offenen Sitzungsfenster. Anschließend überredete Lucien die verbliebenen linientreuen Abgeordneten, der ganzen Aktion einen legalen Anstrich zu geben. Eine provisorische Konsularregierung mit Napoléon Bonaparte, Sieyès und Roger Ducos wurde mit Zustimmung des Rates der Alten eingesetzt. Was als parlamentarischer Staatsstreich vorbereitet worden war, endete als Militärputsch.Die Stadt Paris hatte sich gegenüber der Zerstörung der parlamentarischen Freiheit völlig passiv verhalten. Keiner weinte dem Direktorium und den gesetzgebenden Körperschaften auch nur eine Träne nach. Im ganzen Land wurde der Staatsstreich des 18. Brumaire als der Beginn einer neuen Ära mit Beifall begrüßt. Wenige Wochen später genehmigte das Land mit überwältigender Stimmenmehrheit die neue Verfassung, die Napoleon als dem Ersten unter drei Konsuln für die nächsten zehn Jahre volle Gewalt über das Schicksal Frankreichs gab. Die Republik blieb zwar bestehen, aber nur der äußeren Form nach.Konsulat (1799—1804) und Kaiserreich (1804—14/15)Napoleon und die KonsularverfassungDie Konsularverfassung vom 13. Dezember 1799 zählte lediglich 95 Artikel. Im Gegensatz zu den früheren enthielt sie keine Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, und selbst die Revolutionsdevise Liberté, Égalité, Fraternité (Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit) tauchte nicht mehr auf. Das Zensuswahlrecht von 1795 wurde abgeschafft und durch das indirekte allgemeine Wahlrecht ersetzt. Das Wahlalter des Bürgers (citoyen) lag bei 21 Jahren. Allerdings wählten die Bürger nach einem recht komplizierten, abgestuften indirekten System, das ihr Wahlrecht praktisch ineffizient werden ließ und das obendrein nie richtig funktionierte. Beraten von den beiden Konsuln Jean-Jacques Régis de Cambacérès und Charles François Lebrun und dem Staatsrat (Conseil d'État), ernannte Napoleon, als Erster Konsul mit der alleinigen Gesetzesinitiative ausgestattet, alle staatlichen Funktionsträger sowie die 80 Mitglieder des Senats. Dieser Sénat wiederum wählte die Notabeln als Repräsentanten des Volkes für die beiden anderen Körperschaften aus, das Corps Législatif (Gesetzgebende Körperschaft) und das Tribunat. Durch den Modus der Kooptation, durch den weitere Mitglieder nachträglich von bereits der Körperschaft angehörenden Mitgliedern hinzugewählt werden konnten, wurden die Grundlagen der repräsentativen Regierungsform praktisch beseitigt. Zudem konnten die Kammern gegeneinander ausgespielt werden, wovon Napoleon regen Gebrauch machte. Das wichtigste Organ des Konsulats war der Staatsrat von 30 bis 40 Mitgliedern, die leistungsfähigste Versammlung von Sachverständigen, die Europa je gesehen hat. Charles Maurice de Talleyrand als Außenminister, Joseph Fouché als Polizeiminister, Cambacérès als Justizminister und François Nicolas Mollien als Finanzminister gehörten ihm an. Bei der Rekrutierung der Staatselite galt als oberster Grundsatz, dass jedem Talent der Weg nach oben offen stehen müsse. Mochte auch die politische Freiheit geopfert worden sein, so blieb doch die soziale Gleichberechtigung lebenswichtig, denn der neue Staat setzte auf Verdienst und Leistung, auf Tugenden, die Napoleon mit seiner Person wie kein anderer verkörperte.Aufgrund seiner Erfolge als Friedensfürst — er beendete den Krieg gegen die zweite europäische Koalition — verlängerte ein erneutes Plebiszit 1802 sein Konsulat auf Lebenszeit. Napoleon, der darauf bestanden hatte, sich direkt vom Volk bestätigen zu lassen, erzielte bei der Wahl ein überwältigendes Ergebnis: 3,5 Millionen stimmten mit Ja, 8384 mit Nein. Indes konnte Napoleon nicht umhin festzustellen, dass sich über eine halbe Million Wähler der Stimme enthalten hatten. Dennoch war sein Kalkül aufgegangen. Er hatte zu Beginn seiner Regierungszeit auf Frieden gesetzt und damit die Grundlage für seine Popularität selbst gelegt. Ein wesentlicher Bestandteil des napoleonischen Mythos wird sich später hierauf berufen und betonen, dass es Napoleon war, der Anarchie vorgefunden und Ordnung hinterlassen habe. Analog zum Bild des Retters vor dem Chaos belebte Napoleon auch den Gedanken der nationalen Einheit neu, indem er das neue Frankreich mit dem alten versöhnte und die Priester und Emigranten, die Juden, Atheisten, Protestanten und Jakobiner im Dienst für den Staat zusammenführte. Mit dem Konsulat bestimmte Napoleon die Regeln der Herrschaftstechnik neu: Er führte ein autokratisches Regime auf der Basis plebiszitärer Legitimation. Insgesamt dreimal — 1800, 1802 und 1804 — suchte und erlangte er die Bestätigung seiner Herrschaft durch das Volk. Der Bonapartismus als politische Bewegung und als Mythos war geboren. Nach und nach gelang es Napoleon, das politische Kräftefeld (Jakobiner, Brumairianer, Royalisten) zu neutralisieren. Die Folge waren Komplotte, Attentate und Intrigen, sodass man mit gutem Recht sagen kann: Selten hat ein Staatsoberhaupt sein Amt unter so gefährlichen Bedingungen ausgeübt.Frieden und Ausgleich im InnernFür die Befriedung des Landes brachte Napoleon alle Gaben mit, die das Problem verlangte. In seiner ersten öffentlichen Erklärung beim Amtsantritt als Erster Konsul verkündete er: »Bürger, die Revolution ist verewigt in ihren Prinzipien, die sie eingeläutet haben: Sie ist beendet.« Steckte in dieser politischen Kurzformel ein klares Bekenntnis zu den Errungenschaften der Revolution, so bedeutete sie zugleich eine Art Kriegserklärung an die Kräfte der Instabilität aus dem jakobinischen und royalistischen Lager, gegen die er alsbald militärisch vorging. Obwohl sich Bonaparte auf die Macht der Armee stützte, nahm sein autoritäres Regime in der Folgezeit nicht die Züge einer Militärdiktatur an. Im Vordergrund stand vielmehr der soziale Ausgleich im Innern, den er durch den Aufbau einer zivilrechtlich fundierten Zentralverwaltung zu erreichen suchte. Als Mann über den Parteien mit Blick für die Bedürfnisse des ganzen Landes suchte und fand er die Unterstützung der alten und neuen Funktionseliten.Das Gesetz vom 7. Februar 1800 führte das System der Präfekten ein, die wie die Intendanten des Ancien Régime wichtige Arbeiten auf Départementebene für die Zentralisierung des Staates leisteten. Um das Vertrauen der Finanzwelt zu gewinnen, wurden das Steuersystem effizienter gestaltet und die »Banque de France« gegründet. Letztere war ein Privatunternehmen mit staatlicher Unterstützung und stellte das Kreditwesen auf eine neue Grundlage. Überhaupt galt das vordringliche Interesse der Reorganisation der Finanzen. 1803 wurde der Franc als neue Währungseinheit eingeführt und anders als die Assignaten an den Gold- und Silberwert gekoppelt. Ein im April 1802 erlassenes Amnestiegesetz erlaubte den Emigranten, nach Frankreich zurückzukehren, vorausgesetzt, sie leisteten den Treueeid auf die Verfassung und erklärten sich mit den revolutionären Besitzumschichtungen einverstanden. Über 1000 Familien kehrten daraufhin in ihr Heimatland zurück. Schwieriger zu lösen war dagegen die noch offene Religionsfrage. Nachdem die Verfolgung der Priester, die den Eid auf die Republik verweigerten, eingestellt worden war, wurde am 15. Juli 1801 das Konkordat unterzeichnet. Darin musste der Papst die Rechtmäßigkeit des Nationalgüterverkaufs anerkennen, während gleichzeitig der katholischen Kirche das Recht der uneingeschränkten Religionsausübung garantiert wurde. Das Konkordat war auf Versöhnung der alten mit der neuen Welt angelegt, aber es sollte auch dazu dienen, den in der Armee und bei den Intellektuellen verbreiteten Atheismus niederzuhalten. Es bot den Katholiken die Möglichkeit, die Regierung schnell zu akzeptieren, gab den Priestern Gelegenheit, ihre verlorene Herrschaft über die Seelen zurückzugewinnen, und machte aus Bischöfen würdige Staatsbeamte, Präfekten in Lila: Die Bischöfe wurden vom Konsul ernannt und erhielten dann vom Papst die Investitur. Der Klerus hatte der Regierung den Treueeid zu leisten und erhielt dafür ein Gehalt.Die wichtigste Gesetzesinitiative Napoleons während seiner gesamten Regierungszeit war die Kodifizierung der bürgerlichen Rechte in einem eigens erstellten Zivilgesetzbuch, dem Code civil von 1804, 1807 in Code Napoléon umbenannt. Mit der Bestimmung der Rechte des Individuums wurden den Besten der Gesellschaft die entsprechenden Ausbildungs- und Aufstiegschancen eingeräumt. Die künftigen Staatsdiener, die sich zu einem Fünftel aus den Mittel- und Unterschichten rekrutierten, wurden an Gymnasien, die per Gesetz vom 1. Mai 1802 als Lycées eingeführt worden waren, unter staatlicher Oberaufsicht erzogen. Den beruflich Tüchtigen beziehungsweise den im Dienst für den Staat Erfolgreichen winkte mit der Aufnahme in die Ehrenlegion der Aufstieg innerhalb der sozialen Hierarchie.Das KaiserreichDie Einrichtung der erblichen Kaiserwürde folgte am 18. Mai 1804 als Reaktion auf eine Serie royalistischer Destabilisierungsversuche durch Attentate und Verschwörungen. In dem Bestreben, die Sicherheit des Regimes zu verstärken, aber auch um die territorialen Eroberungen zu schützen, gab Napoleon seiner Herrschaft eine neue Legitimationsgrundlage. Am 2. Dezember 1804 krönte er sich in der Kathedrale Notre-Dame in Paris im Beisein des Papstes selbst zum Kaiser und begründete nach Meinung seiner Kritiker die »gestiefelte Revolution«. Die Annahme der lombardischen Krone in Mailand 1805 und der Besuch in Aachen, an der Wirkungsstätte und am Grab Karls des Großen, sollten die neuen Ambitionen noch unterstreichen. Zwar wirkte sich die Errichtung des Kaisertums kaum auf die staatlichen Institutionen aus, aber aufgrund ihres immens hohen symbolischen Wertes setzte sie einen Schlussstrich unter die Ära der Revolution. Um sein politisches Gebäude zu festigen, führte Napoleon I. 1808 den erblichen Verdienstadel ein, den er, indem er ihn mit Titeln und Ländereien ausstattete, persönlich von sich abhängig machte. Damit zementierte er die Vorherrschaft der Notabeln als führender Gesellschaftsklasse. Die Privilegierung gründete nicht wie im Ancien Régime auf der Herkunft, sondern auf der Basis von wirtschaftlicher Macht, Einfluss und Reichtum. Ziel war die Schaffung einer republikanischen Aristokratie, um nach Napoleons eigenen Worten die »Granitbrocken« unter die »Sandkörner« (damit meinte er die französische Gesellschaft) zu schieben. In dem Maße, in dem die Verwaltung effektiver wurde, nahm das Regime zunehmend diktatorische Züge an. Die neue Monarchie regierte autokratisch mit den Mitteln des Zentralismus und der Bürokratie und war vordringlich darauf bedacht, den sozialen Status quo zu sichern. Von Pressefreiheit war schon lange keine Rede mehr. Bereits zu Beginn der Konsulatszeit waren 60 von 73 politischen Blättern verboten und oppositionelle Schriftsteller zum Verlassen des Landes aufgefordert worden. Die Wirklichkeit des Kaiserreichs bestand aus Pressezensur und der Einschränkung der persönlichen Freiheit durch landesweit operierende Polizeispitzel.Napoleons MachtentfaltungDer Revolution verdankte Napoleon seinen grandiosen Aufstieg. Sie vererbte ihm aber auch den Krieg. Die französische Außenpolitik bestand bei seinem Regierungsantritt 1799 aus einem äußerst komplexen politischen Minenfeld. Nachdem die Grenze an den Rhein vorgeschoben war, wurde das eroberte Land zum Teil annektiert (Piemont, Wallis, Genf, Savoyen, Belgien) oder in Satellitenstaaten (Batavische, Helvetische, Cisalpinische, Ligurische, Römische Republik) eingeteilt. Als Anhänger des Merkantilismus glaubte Bonaparte, das Wohl des Staates mehren zu können, wenn die nationale Zahlungsbilanz Überschüsse erziele, der Kolonialhandel gefördert und Frankreichs Industrie durch Sicherung der Absatzmärkte vor der ausländischen Konkurrenz geschützt würden.Napoleons Hauptaugenmerk war auf den europäischen Kontinent gerichtet. In Santo Domingo — dem heutigen Hispaniola — beispielsweise wollte er im Mai 1802 die Verwaltung des Ancien Régime samt Sklaverei einführen, was zum Aufstand und Verlust der Insel führte. Die ehemalige französische Kronkolonie Louisiana in Nordamerika, 1800 von Spanien zurückerhalten, verkaufte er im April 1803 für 15 Millionen Dollar an die USA.Der 2. Koalitionskrieg (1798—1801/02)Während des Ägyptenfeldzugs hatte sich die Lage in Europa grundlegend verändert. Die Gefechte in Italien, die Errichtung der Helvetischen Republik und die gescheiterte Ägyptenexpedition Bonapartes führten 1798 zur Bildung einer neuen Koalition zwischen Großbritannien, Österreich, Russland, der Türkei, Portugal und Neapel. Ein Angriff Neapels auf die Römische Republik löste den 2. Koalitionskrieg aus. Die zweite Koalition errang 1799 bedeutende Erfolge gegen die Franzosen in Süddeutschland, der Schweiz, vor allem aber in der norditalienischen Poebene. Der österreichische Erzherzog Karl besiegte im März Jean-Baptiste Jourdan bei Stockach und im Juni André Masséna bei Zürich, während der russische General Aleksandr Suworow die Franzosen unter Jean Victor Moreau im April bei Cassano und unter Barthélemy Joubert im August bei Novi schlug. Nachdem sich Zar Paul I. im Oktober 1799 aus der Koalition zurückgezogen hatte, wandte sich Napoleon gegen Österreich. Im Stile Hannibals überquerte er den Großen Sankt Bernhard und besiegte den altersschwachen General Michael Friedrich Benedikt Melas am 14. Juni 1800 bei Marengo. Als Moreau den französischen Triumph kurze Zeit später, am 3. Dezember 1800, bei Hohenlinden endgültig sicherte, suchte Kaiser Franz II. um Frieden nach.Im Februar 1801 schlossen Frankreich und Österreich den Frieden von Lunéville, dem im März 1802 in Amiens der Ausgleich mit Großbritannien folgte. Österreich bestätigte darin die Gebietsabtretungen an Frankreich, die es bereits im Geheimvertrag von Leoben zugestanden hatte, während der Vertrag mit Großbritannien zwar koloniale Gebietsaufteilungen regelte, aber keinen neuen Handelsvertrag einschloss: ein böses Omen für die Aussichten des künftigen Friedens. Der Friede von Amiens hielt ein Jahr, als der Krieg mit Großbritannien erneut ausbrach. Zum Bruch hatten beide Seiten beigetragen: Großbritannien wollte die Insel Malta nicht räumen, und Frankreich besetzte unter Missachtung des Sonderfriedens von Basel das Herzogtum Hannover. Aber Territorien lieferten im britisch-französischen Konflikt oft nur den Vorwand, in Wirklichkeit lagen der Auseinandersetzung unterschiedliche Konstruktionsprinzipien beider Gesellschaften zugrunde. Großbritannien hielt an seiner bewährten Gleichgewichtspolitik fest, während Napoleon eindeutig hegemoniale Ambitionen verfolgte: Er wich von der Politik der natürlichen Grenzen ab, um Großbritannien zu schwächen.Der 3. und der 4. Koalitionskrieg (1805 und 1806/07)Im August 1804 stellte der wieder berufene britische Premierminister William Pitt der Jüngere die dritte Koalition, bestehend aus Großbritannien, Österreich, Russland, Schweden und Neapel, gegen Frankreich zusammen, das lediglich von seinem Satelliten Spanien unterstützt wurde. Eigentlich sollte der Feldzug mit der Invasion und Eroberung Großbritanniens beginnen. Napoleon spekulierte auf die Unterstützung des englischen Mobs und wollte die britische Insel einschließlich Irlands, dem Beispiel Amerikas folgend, in Republiken umwandeln. Die im Lager von Boulogne (bei Boulogne-sur-Mer) zusammengezogene französische Armee wartete zwei Jahre auf die Einschiffung. Der Invasionsbefehl kam indes nie, denn Großbritannien war wirtschaftlich und mental bestens gerüstet. Admiral Horatio Nelson lockte die französisch-spanische Flotte aus dem Hafen von Cádiz und schlug sie bei Trafalgar am 21. Oktober 1805 vernichtend. Auch wenn der ruhmreiche britische Admiral den Sieg mit seinem Leben bezahlte, er sicherte Großbritannien die Seeherrschaft bis zum Ende des Krieges. Derweil war der inzwischen zum Kaiser gekrönte Napoleon I. schon in Richtung Wien unterwegs. Einen Tag vor der Schlacht von Trafalgar kapitulierte der österreichische General Karl Mack, Freiherr von Leiberich, in Ulm.Die Taktik Napoleons waren Blitzkriege und Entscheidungsschlachten. Nacheinander warf er die Österreicher und die Russen in der Dreikaiserschlacht bei Austerlitz am 2. Dezember 1805 und anschließend, im 4. Koalitionskrieg, die Preußen in der Doppelschlacht von Jena und Auerstedt am 14. Oktober 1806 nieder. In Wien und Berlin diktierte der »Kaiser der Franzosen« den geschlagenen beiden deutschen Großmächten die Friedensbedingungen. Österreich musste im Frieden von Preßburg vom 26. Dezember 1805 Venetien und Dalmatien an das Königreich Italien und Tirol an Bayern abtreten. Preußen wurde für sein Zaudern bestraft, und es half auch nichts, dass es im 3. Koalitionskrieg Neutralitätspolitik betrieben hatte. Es war bereits militärisch und moralisch zusammengebrochen, als Napoleon am 27. Oktober 1806 kampflos in Berlin einzog. Im Frühjahrsfeldzug des darauf folgenden Jahres wandte sich Napoleon Russland zu. In Ostpreußen stellte er die russische Armee unter Zar Alexander I. und besiegte sie im Februar 1807 bei Preußisch-Eylau und am 14. Juni 1807 bei Friedland.Am 8. Juli 1807 unterzeichneten der russische Zar und der Franzosenkaiser in Tilsit den Friedensvertrag. Als Tagungsort für die Konferenz wählte Napoleon, an das Ritual des französischen Sakralkönigtums anknüpfend, ein Floß auf der Memel. Der Frieden von Tilsit ordnete die europäische Landkarte völlig neu. Als neue Staaten entstanden im Osten das Großherzogtum Warschau unter der Ägide des Königs von Sachsen und im Westen das Königreich Westfalen unter Napoleons Bruder Jérôme. Preußen jedoch erlebte die bitterste Stunde seiner staatlichen Existenz: Sein Territorium wurde auf ein Viertel beschnitten, das Heer auf 42000 Mann beschränkt, und zudem musste das Land hohe Kriegsentschädigungen zahlen und blieb bis zur Ableistung unter französischer Besatzung.Ursachen für Napoleons ErfolgeDen Zenit seiner Macht erreichte Napoleon 1808 auf dem Fürstentag in Erfurt. Die wichtigsten Mächte des Kontinents, Österreich, Preußen und Russland, waren besiegt, und beinahe ganz Europa lag ihm zu Füßen. Die im Oktober 1806 in Berlin verkündete Kontinentalsperre verbot allen Staaten von der portugiesischen Küste bis zum Baltikum den Handel mit dem britischen Erzfeind. Der politische Schlüssel zu seinem Triumph lag in der Kombination von Tradition und Innovation. Trotz der zahlreichen Feldzüge war die »Grande Nation« keine Soldatennation. Während des Kaiserreichs wurden insgesamt 2,1 Millionen französische Rekruten zu den Waffen gerufen, das waren lediglich 5,77 Prozent der Bevölkerung. Den soldatischen Hauptanteil der napoleonischen Armeen stellten die verbündeten Länder, allen voran die Rheinbundstaaten. Da keine neuen Waffensysteme eingeführt wurden, ersetzte die Artillerie oftmals die fehlenden Truppen. Der napoleonische Soldat war ein improvisierender Kämpfer, von dem der Kaiser nur zweierlei verlangte: Gehorsam und Disziplin in der Schlacht. Die militärische Überlegenheit Napoleons ergab sich aus der Neugliederung der Grande Armée in einzelne Armeekorps und daraus, dass er den Bewegungskrieg den Besatzungen vorzog. Das napoleonische Kriegssystem funktionierte in reichen, zumeist ebenen Gegenden, wo der Feind nicht ausweichen konnte. Die ersten Niederlagen erlitt die Grande Armée bezeichnenderweise im Gebirge: in Spanien 1808 und in Tirol 1809.Deutschland unter NapoleonFür die deutsche Geschichte war Napoleon eine harte, aber heilsame Kraft. Bereits 1803 kam es in Paris zu einer großen Vereinfachung der komplizierten politischen Landkarte, bei der 112 rechtsrheinische Reichsstände ihre Selbstständigkeit verloren. Aus dem »Reichsdeputationshauptschluss« erwuchs ein sinnvoller gestaltetes Deutschland, das leichter zu einigen und daher für seinen westlichen Nachbarn zugleich gefährlicher war. Durch die Säkularisierung der Klöster und die Mediatisierung der reichsunmittelbaren Reichsritterschaften — sie wurden in die angrenzenden Staaten eingegliedert — schrumpfte die deutsche Staatenwelt auf weniger als 50 Territorien zusammen. Unter Napoleons Protektorat wurde am 12. Juli 1806 der Rheinbund gegründet, eine Konföderation von zunächst 16 deutschen Fürsten, die auf dem Höhepunkt napoleonischer Machtentfaltung 1808 vier Königreiche, fünf Großherzogtümer, elf Herzogtümer und 16 Fürstentümer umfasste. Der Rheinbund schloss souveräne deutsche Staaten unter einem politischen Dachverband zusammen und wertete sie gegenüber den geschlagenen Mächten Österreich und Preußen auf. In diesem Bund waren einige Mitgliedsstaaten Neuschöpfungen wie das Königreich Westfalen (1807) sowie die Großherzogtümer Berg (1806), Würzburg (1806) und Frankfurt (1810). Andere Staaten des Rheinbundes waren dagegen ehemalige Mitglieder des Reiches, deren Herrscher durch Rangerhöhungen oder Einheiraten in die kaiserliche Familie eingebunden wurden. Die wichtigsten Mitglieder waren die zu Königreichen erhobenen Staaten Bayern und Württemberg (1805) sowie Sachsen (1806), die neu erhobenen Großherzogtümer Baden, Frankfurt, Hessen-Darmstadt und Berg sowie das zum Herzogtum erhöhte Nassau.Das Ende des EmpireKriege in Spanien und Österreich, innere Konflikte in FrankreichDer spanische Feldzug ließ die ersten Risse im Gebäude des Empire zutage treten. Die Kapitulation von 23000 Franzosen in Bailén am 19. Juli 1809 war ein deutliches Zeichen dafür, dass mit dem spanischen Nationalgefühl eine neue Kraft aufgetreten war, die das französische Kaiserreich aus den Angeln zu heben vermochte. Kaum hatte Napoleon die Lage in Mittelspanien wiederhergestellt, wandte er sich eiligst nach Süddeutschland, um der Bedrohung durch die Österreicher Herr zu werden. Zwar endete die Schlacht bei Aspern im Mai 1809 mit der ersten Niederlage Napoleons, doch der Sieg bei Wagram im Juli öffnete ihm erneut die Stadttore von Wien. Durch das spanische und österreichische Beispiel ermutigt, erhoben sich die Tiroler unter Andreas Hofer gegen die bayerisch-französische Besatzungsmacht. Auch wenn ihr Aufstand am Berg Isel bei Innsbruck im August 1809 blutig erstickt wurde, so hatte der Nimbus der Unbesiegbarkeit des korsischen Usurpators doch deutlich an Glanz verloren. Im Frieden von Schönbrunn vom Oktober verlor Österreich einen Großteil seiner Ländermasse an Frankreich (Illyrische Provinzen) und dessen Verbündete (Südtirol an Italien sowie Salzburg, das Innviertel und Nordtirol an Bayern), und die ruhmreiche »Casa d'Austria« der Habsburger wurde zu einem Binnenstaat mit Truppenkontingentierung degradiert.Zu dem Zeitpunkt, als sich Napoleon zum allmächtigen Beherrscher Europas aufschwang, vollzog sich im eigenen Land der Bruch mit den kompetentesten Vertretern der revolutionären Eliten, die ihn 1799 auf den Schild gehoben und ihm lange Zeit Gefolgschaft geleistet hatten. 1807 wurde das Tribunat aufgelöst, dann demissionierten Talleyrand (1807) und Fouché (1810) und wurden durch loyale Kreaturen ersetzt. Gleichzeitig verprellte der Kaiser durch die Heirat mit der österreichischen Erzherzogin Marie Louise 1810 die einflussreiche Gruppe der »Königsmörder«. Der Zielkonflikt, in dem Napoleon sich nach der Geburt seines einzigen legitimen Sohnes, des Königs von Rom, 1811 befand, wurde immer offensichtlicher: Der Kampf gegen Großbritannien erforderte, in Europa Verbündete zu haben, aber er behandelte diese wie seine Vasallen.Russlandfeldzug und BefreiungskriegeWährend die Briten gezielt und wirksam — durch das Bombardement Kopenhagens und die Wegnahme der dänischen Flotte 1807 sowie durch die Siege Arthur Wellesleys, des späteren Herzogs von Wellington, gegen Napoleons Marschälle in Portugal zwischen 1808 und 1810 — die napoleonische Machtphalanx von der Flanke her attackierten, wurde Napoleon Schritt für Schritt jenem maßlosen russischen Abenteuer zugetrieben, das in besonders hohem Maße zum Sturz des französischen Kaisers beitrug. Der äußere Anlass, der zum Bruch mit Zar Alexander I. führte, war die offene Weigerung Russlands, seine Häfen für neutrale Schiffe zu schließen. Am 22. Juni 1812 marschierte Napoleon an der Spitze seiner 600000 Mann starken Grande Armée in Russland ein. Bei Borodino vor den Toren der Hauptstadt stellte der Kaiser am 7. September den taktisch abwartenden Gegner und besiegte ihn, aber der Brand Moskaus, der frühe Wintereinbruch sowie der verlustreiche Übergang über die Beresina führten in die Katastrophe. Napoleon befand sich bereits auf dem Weg nach Paris, als die auf 30000 Mann zusammengeschrumpfte Grande Armée über die polnische Grenze zurückflutete.Währenddessen organisierten die europäischen Staatsmänner den nationalen Widerstand gegen die französische Fremdherrschaft. Zuerst wechselte der preußische General Hans David Ludwig Yorck von Wartenburg in der Konvention von Tauroggen vom Dezember 1812 die Seite, es folgte auf Druck seiner Berater Gerhard Johann David von Scharnhorst und Karl August von Hardenberg der preußische König, dem sich schließlich im Sommer 1813 die Österreicher unter Karl Philipp von Schwarzenberg anschlossen. Die Befreiungskriege begannen im Frühjahr 1813, und sie endeten mit der alliierten Besetzung Frankreichs 1814 und der Abdankung Napoleons in Fontainebleau am 6. April. Gegen die Übermacht der verbündeten Armeen blitzte Napoleons Feldherrngenie in den Siegen bei Bautzen, Lützen und Dresden anfangs noch auf, aber in der alles entscheidenden Völkerschlacht bei Leipzig (16./19. Oktober 1813) verließ er vernichtend geschlagen den Kampfplatz.Auf Beschluss des Wiener Kongresses musste Napoleon den Weg in die Verbannung antreten. Der im Exil lebende Bourbonenkönig Ludwig XVIII. kehrte nach Frankreich zurück und proklamierte eine liberale Verfassung, die Charte constitutionnelle. Währenddessen floh der Kaiser von Elba und landete im März 1815 in Fréjus. Im Siegeszug kehrte er auf den Schultern seiner Soldaten nach Paris zurück und erklärte den König für abgesetzt. Die Herrschaft der »Hundert Tage« hatte begonnen. In Wien antwortete man mit der Ächtung Napoleons. Während Wellington und der preußische Feldmarschall Gebhard Leberecht Blücher ihre Truppen im Norden und Westen zusammenzogen, eilte ihnen Napoleon nordwärts entgegen, um der drohenden militärischen Einkreisung zu entgehen. Zwar konnte er am 16. Juni die Preußen bei Ligny schlagen, aber die Niederlage bei Waterloo südlich von Brüssel am 18. Juni 1815 bedeutete das Ende des Empire. Nach der Abdankung begab sich der geschlagene Empereur in die Obhut des britischen Erbfeindes, der ihn auf die Atlantikinsel Sankt Helena verbannte, wo er am 5. Mai 1821 starb.Prof. Dr. Erich Pelzer, FreiburgWeiterführende Erläuterungen finden Sie auch unter:Restauration: Das alte Europa als Phönix aus der Asche?Grundlegende Informationen finden Sie unter:Revolutionskriege: Eroberung oder Befreiung?
Universal-Lexikon. 2012.